Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
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Israel

Neue Signale zu Verhandlungen über Geiseln

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat vorsichtig Hoffnung auf eine mögliche Freilassung weiterer Geiseln aus den Händen der islamistischen Hamas gemacht. Auf die Frage, ob eine solche Vereinbarung kommen könnte, sagte Netanjahu am Sonntag dem US-Fernsehsender NBC: „Es könnte sein, aber ich denke, je weniger ich darüber sage, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zustande kommt.“

Falls das gelinge, sei es allein Ergebnis von militärischem Druck, betonte Netanjahu. „Das ist das Einzige, was zu einer Einigung führen könnte.“ Erst mit der Bodenoffensive des israelischen Militärs im von der Hamas kontrollierten Gazastreifen habe es Bewegung in den Verhandlungen gegeben. „Wir werden darüber sprechen, wenn es so weit ist, und es ankündigen, wenn es zustande gekommen ist.“

NBC und andere US-Medien berichteten unter Berufung auf Regierungskreise, diskutiert werde, dass die Hamas etwa 80 Frauen und Kinder freilassen könnte – im Gegenzug für palästinensische Frauen und Teenager, die in Israel in Gewahrsam seien. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht. Auch Netanjahu ging in keiner Weise auf Details der kolportierten Bedingungen ein.

Andeutungen zu Verhandlungen

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC die Möglichkeit eines Abkommens über die Freilassung einiger der von der Hamas verschleppten Geiseln angedeutet.

USA: „Heikle und sensible Verhandlungen“

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, sagte dem Sender ABC, es liefen Verhandlungen, an denen Katar beteiligt und die US-Regierung aktiv eingebunden sei. „Es wird versucht, eine Einigung zu erzielen, die die Freilassung von Geiseln beinhaltet“, sagte Sullivan. Biden werde nicht ruhen, bis ein solches Abkommen erreicht sei.

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan
Reuters/Jonathan Ernst
Sullivan: „Ich muss vorsichtig sein mit dem, was ich öffentlich dazu sage“

Sullivan betonte aber: „Ich muss vorsichtig sein mit dem, was ich öffentlich dazu sage, weil es sich natürlich um heikle und sensible Verhandlungen handelt.“ Der US-Regierung lägen keine genauen Zahlen der Geiseln vor. Es gebe nur eine Zahl von Vermissten. Unklar sei aber, wie viele von ihnen noch am Leben seien. Von US-Seite würden neun Menschen mit amerikanischer Staatsbürgerschaft vermisst und eine Person mit einer permanenten US-Aufenthaltserlaubnis.

Von der Hamas – laut der Nachrichtenagentur Reuters konkret von einem mit den Verhandlungen vertrauten Beamten – hieß es gleichzeitig, dass man die Verhandlungen aufgrund des israelischen Vorgehens gegen das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza aussetze. Laut Israel befindet sich unter dem Spital eine Kommandozentrale der Hamas. Das Spital sei unter heftigen Beschuss geraten, als die israelischen Streitkräfte sich der Einrichtung näherten, so die Behauptung der Hamas.

Israel: „Hamas lügt über das, was in Spitälern passiert“

Das israelische Militär hingegen wies Vorwürfe zurück, es feuere auf das Krankenhaus. Man feuere nicht auf das Spital, doch gebe es Gefechte mit Hamas-Terroristen in dessen Umgebung, sagte ein Armeeoffizier. „Die Hamas lügt über das, was in den Krankenhäusern passiert“, sagte Armeesprecher Daniel Hagari.

Spitäler in Gaza laut OCHA-Datenbank und OpenStreetMap-Einträgen, zum Zoomen Touchscreen oder blaue Buttons (rechts) verwenden

Die Menschen könnten das Krankenhaus noch immer sicher verlassen, erklärte Oberst Mosche Tetro von COGAT, einer Einheit des israelischen Verteidigungsministeriums, die mit Palästinenserinnen und Palästinensern in zivilen Angelegenheiten zusammenarbeitet. Die Ostseite des Geländes stehe für jeden offen, der sich in Sicherheit bringen wolle.

Ähnlich äußerte sich ein Armeesprecher in Tel Aviv. „An dem Krankenhaus wird weder geschossen noch wird es belagert“, sagte er. Die israelischen Truppen unterstützten jeden, der das Krankenhaus sicher verlassen wolle. Die Mitarbeitenden des Krankenhauses hätten um die Evakuierung der Babys in ein sichereres Spital gebeten, so Militärsprecher Hagari. „Wir werden die nötige Unterstützung leisten.“

USA: „Wollen keine Gefechte in Spitälern“

Von Sullivan hieß es, die USA wollten „keine Feuergefechte in Krankenhäusern, bei denen unschuldige Menschen, Patientinnen und Patienten, die medizinisch versorgt werden, ins Kreuzfeuer geraten“. Man habe mit den israelischen Verteidigungskräften aktiv darüber beraten, sagte Sullivan in der Sendung „Face the Nation“ von CBS News.

WHO: Kommunikation abgebrochen

Ein Chirurg des Spitals, der für die Ärzte ohne Grenzen arbeitet, berichtete über den Tod zweier Frühchen aufgrund von Stromausfällen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilte mit, sie habe die Kommunikation mit ihren Ansprechpartnern im al-Schifa verloren. Auch ein erwachsener Patient sei wegen des Ausfalls seines Beatmungsgeräts gestorben, hieß es.

Es gebe kein Wasser, keinen Strom und keine Lebensmittel für die Patientinnen und Patienten. Auf dem Krankenhausgelände suchten außerdem zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten Zuflucht. Sollten die Kämpfe nicht gestoppt oder zumindest die Patientinnen und Patienten evakuiert werden, „werden diese Krankenhäuser zu Leichenhallen“, teilte Ärzte ohne Grenzen am Sonntag mit.

Direktor: Spital „umzingelt“

Das Spital sei „vollkommen umzingelt“, und es gebe Bombardements in der Nähe, sagte der Direktor des Krankenhauses, Mohammed Abu Salmidscha. Das medizinische Team könne nicht arbeiten, und Dutzende Leichen könnten nicht fortgeschafft und beerdigt werden. Zeugen im Spital berichteten AFP am Telefon, es gebe ununterbrochen Schüsse, Luftangriffe und Artilleriefeuer in der Nähe des Komplexes.

Israel: Fluchtkorridor geöffnet

Israels Armee hat der Zivilbevölkerung im umkämpften nördlichen Gazastreifen am Sonntag ein neues Zeitfenster für die Flucht in den Süden genannt. Der Fluchtkorridor sei mehrere Stunden lang geöffnet gewesen. Israelischen Armeeangaben zufolge bewegten sich allein in den vergangenen drei Tagen 150.000 Menschen in den Süden.

Im Zusammenhang mit dem neuerlichen Evakuierungsaufruf kündigte die israelische Armee für zwei Gebiete in Nordgaza auch eine „taktische Pause“ der Kämpfe zu „humanitären Zwecken“ an. Israel operiert mittlerweile auch mit Bodentruppen in weiten Teilen des nördlichen Gazastreifens. Laut Augenzeugenberichten fuhren israelische Panzer auf zentralen Straßen der Stadt Gaza.