Grenzübergang Kerem Shalom in Gaza
Reuters/Ibraheem Abu Mustafa
Mehr Hilfe für Gaza

Nutzung von Kerem Schalom rückt näher

Israel will nach anhaltender Kritik laut Berichten israelischer Medien die Zahl der Hilfstransporte in den Gazastreifen erhöhen. Das Land wolle dafür erstmals seit Kriegsbeginn in den kommenden Tagen den Grenzübergang Kerem Schalom für die Inspektion der Hilfslieferungen nutzen, meldete die Times of Israel unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsvertreter am Donnerstag.

Das solle die Einfuhr einer größeren Anzahl an Lastwagen erleichtern, meldete die Onlinezeitung unter Berufung auf die Koordinierungsabteilung des israelischen Verteidigungsministeriums mit den Palästinensern (COGAT).

USA fordern Öffnung für Ein- und Ausfuhr

Die USA wollen dem Bericht zufolge auch, dass Israel Kerem Schalom wieder für die Ein- und Ausfuhr der Hilfstransporte öffnet. Derzeit ist dort aber nur die Kontrolle der Lieferungen geplant. Nach der Abfertigung sollen die Lkws über Rafah, den Grenzübergang zu Ägypten, in den Gazastreifen fahren. Seit Kriegsbeginn kommen die Lieferungen ausschließlich über Rafah.

Israel fürchtet, dass in den Lkws auch Waffen nach Gaza gebracht werden könnten, und inspiziert sie deshalb. Kerem Schalom diente vor dem Krieg als Warenübergang. Damals gelangte der Großteil der Hilfe über diesen Übergang nach Gaza.

Der UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sieht Chancen auf eine baldige Öffnung des Grenzübergangs Kerem Schalom, wie er am Donnerstag in Genf sagte. Noch warte das UNO-Nothilfebüro (OCHA) auf grünes Licht, sagte Griffiths, aber es plane nun Konvois aus Jordanien mit Hilfsgütern, die über den Grenzübergang Kerem Schalom fahren sollen.

Nizana-Übergang als Flaschenhals

Bisher prüft Israel den Inhalt der Hilfstransporte am kleineren Nizana-Übergang zwischen Israel und Ägypten rund 40 Kilometer südlich von Kerem Schalom, ehe sie nach Rafah geschickt wurden. Nizana ist laut Medienberichten aber nicht für diesen Zweck geeignet. Der Prozess werde dadurch verlangsamt. Vor dem Krieg fuhren rund 500 Lastwagen mit humanitären Gütern pro Tag in das von Israel abgeriegelte Gebiet, derzeit ist es nur ein Bruchteil.

Israel verteidigt sich gegen Kritik

Unterdessen verteidigte sich die israelische Regierung gegen internationale Kritik an ihrem Umgang mit der humanitären Krise. „Wir versuchen, die humanitäre Hilfe zu steigern“, sagte Elad Goren von COGAT. Mehr als 60.000 Tonnen Hilfsgüter seien über den Grenzübergang Rafah zwischen Gazastreifen und Ägypten bereits in das Palästinensergebiet gelangt.

Israel werde beim Zugang für humanitäre Hilfe „nicht das Problem sein“, sagte Goren weiter. Die Logistik der Lieferungen liege in der Verantwortung der UNO. Israel habe aber unter anderem Wasserleitungen repariert bzw. an der Reparatur mitgearbeitet und Lagerhäuser in der Grenzstadt Rafah eingerichtet, in denen Hilfsgüter untergebracht werden könnten.

Kairo warnt Israel vor Vertreibung

Unterdessen warnte die Regierung in Kairo Israel: Man werde es nicht zulassen, dass die Bewohner des Küstenstreifens in Richtung oder gar auf die zu Ägypten gehörende Sinai-Halbinsel gedrängt würden, teilte am Donnerstag der Staatsinformationsdienst (SIS) mit.

Damit würde eine „rote Linie“ überschritten, weil Ägypten darin eine Gefahr für die nationale Sicherheit und Souveränität des Staates sehe. Weiterhin hieß es, der Übergang Rafah sei für Einzelpersonen und Güter „dauerhaft geöffnet“. Alle „Hindernisse am Übergang“ kämen von der israelischen Seite.

Bisher gab es keine Berichte über größere Versuche von Zivilisten aus dem Gazastreifen, die Grenze zu Ägypten zu überwinden. Manche Menschen äußerten jedoch die Angst, sie könnten gezwungen werden, nach Ägypten zu gehen. Sie hätten Sorge, dann später nicht in den Gazastreifen zurückkehren zu dürfen, sagten mehrere Bewohner in Chan Junis einem dpa-Reporter.

Kämpfe in Chan Junis und Dschabalja

Israels Militär setzte seine Kämpfe gegen die Hamas in Chan Junis, der größten Stadt des südlichen Gazastreifens, fort. Dutzende Stellungen der Terroristen seien angegriffen worden, teilte die Armee am Donnerstag mit. Auch in Nordgaza führt die israelische Armee Operationen durch.

Laut Times of Israel habe die Armee einen wichtigen Hamas-Außenposten in dem Gebiet eingenommen und dabei mehrere Kämpfer getötet. In dem Gebiet sollen Tunnel und Waffen gefunden worden sein, wie die Armee behauptete.

Medien: Dutzende Hamas-Kämpfer ergaben sich

Israelische Medien berichteten von Dutzenden Hamas-Kämpfern, die sich in Dschabalja ergeben hätten. Auf Bildern sind Männer mit nacktem Oberkörper zu sehen, die rund um ein teils zerstörtes Gebäude knien – israelische Soldaten stehen neben ihnen. Israelische Medien wie „Haaretz“ und Channel 12 haben Videos und Bilder veröffentlicht, die wohl vom israelischen Militär stammen. Es soll die größte Kapitulation von Hamas-Terroristen seit Ausbruch des Krieges sein, berichtet „Haaretz“.

Laut Hamas befinden sich noch immer etwa 100.000 Menschen in dem über viele Jahre zur Stadt gewachsenen Lager, diese Angabe ist nicht überprüfbar. Seit dem Ende der Waffenpause gibt es keine Hilfslieferungen in den Norden mehr.

Hilfsgeld fließt wieder für Palästinenser

Nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel wurden Entwicklungshilfegelder für palästinensische Hilfsprojekte gestoppt. Das österreichische Außenministerium hat nun in einer Aussendung mitgeteilt, dass die ausgesetzten Zahlungen wieder freigegeben werden.

Sohn von Israels Ex-Generalstabschef getötet

Unterdessen ist bei den israelischen Bodeneinsätzen der Sohn von Ex-Generalstabschef Gadi Eisenkot getötet worden, der Israels Kriegskabinett angehört. Die israelische Armee teilte am Donnerstag mit, der 25-Jährige Soldat einer Kommandoeinheit sei bei Kämpfen im Norden des Küstengebiets ums Leben gekommen.

Damit sind seit Beginn der Bodeneinsätze im Gazastreifen Ende Oktober 89 israelische Soldaten getötet worden. Das sind mehr als bei allen bisherigen Kriegen Israels mit der Hamas im Gazastreifen, die dort 2007 gewaltsam die alleinige Kontrolle übernommen hatte.

Eisenkot war nach der Bildung einer Notstandsregierung in Israel vor zwei Monaten als Beobachter im Kriegskabinett aufgenommen worden. Dieses trifft nur Entscheidungen in Kriegsfragen.

Einwohner fliehen vor Bodenoffensive in Khan Younis, Gaza
AP/Mohammed Dahman
1,9 Millionen Menschen wurden UNO-Angaben zufolge innerhalb des Gazastreifens vertrieben

Sicherheitsrat tagt erneut zu Gaza

Nach dem Drängen von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres will sich der Weltsicherheitsrat am Freitag erneut mit der Situation im Gazastreifen befassen. Die Vereinigten Arabischen Emirate legten einen neuen Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einem Waffenstillstand vor. Ähnliche Vorstöße waren jedoch bisher am Widerstand der USA gescheitert.