Pallas Athene vor dem Parlament in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Politik zu männlich

Junge Frauen vermissen Vorbilder

In der Politik sind Frauen eine Minderheit. In der Regierung sitzen weniger Ministerinnen als Minister, im Parlament weniger Mandatarinnen als Mandatare. Dasselbe gilt auf Landes- und Gemeindeebene: Trotz des Geschlechtergleichgewichts in der Bevölkerung dominieren Männer die Politik. Eine Studie hat nun unter Mädchen und jungen Frauen nach Erklärungen gesucht.

Die Untersuchung des Wiener Instituts L&R Sozialforschung behandelt das politische Interesse und die politische Partizipation junger Frauen in Österreich. Gleichzeitig nahm sich das Forschungsteam um Flavia Enengl auch vor, Möglichkeiten herauszuarbeiten, um das politische Engagement von jungen Frauen zu fördern. „Die Hintergründe für die mangelnde politische Teilhabe war uns gleich wichtig wie die proaktive Suche nach Gestaltungsräumen“, sagt Enengl im Gespräch mit ORF.at.

Für die Studie, die im Auftrag des Bundeskanzleramts durchgeführt wurde, wurden rund 350 Mädchen und junge Frauen im Alter von 14 bis 25 Jahren von Juni bis September online befragt. Die Befragung war nicht repräsentativ, weshalb die Antworten als Fallbeispiele zu sehen sind. Als Vergleichsgruppe wurden zusätzlich 250 Burschen und junge Männer zu denselben Themen befragt.

Hohes Interesse, wenig Erfahrung

Viele Studien haben sich bereits mit den Faktoren, die Frauen daran hindern, sich politisch zu engagieren, beschäftigt. Insbesondere die sich hartnäckig haltende tradierte Rollenverteilung (mehr unbezahlte Haushalts- und Sorgearbeit, weniger bezahlte Erwerbsarbeit) gilt als wesentliche Hürde für eine politische Karriere von Frauen. Außerdem beeinflusst auch die Art und Weise, wie man aufwächst, welchen Weg eine Frau bzw. ein Mann am Ende einschlägt – etwa die Entscheidung, in die Politik zu gehen.

Die aktuelle Studie zeigt, dass junge Frauen zwar ein hohes Interesse an politischen Themen haben. Im Gegensatz zu gleichaltrigen Männern haben sie aber weniger Erfahrungen mit politischem Engagement. Die befragten junge Frauen sind sich großteils einig, dass die schwache Präsenz von weiblichen Vorbildern in der Politik junge Frauen davon abhält, sich politisch zu engagieren. Die männlichen Befragten nahmen dieses Problem mit Abstand seltener wahr als junge Frauen.

Als weiterer Hindernisgrund wurde von den weiblichen Befragten eine zu männliche Berichterstattung angegeben. Tatsächlich sind Frauen in der politischen Berichterstattung unterrepräsentiert, wie eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zeigte. Das liegt aber an mehreren Faktoren und hängt nur zum Teil damit zusammen, dass Frauen in Spitzenpositionen unterrepräsentiert sind. Der Behauptung, dass sich Frauen weniger für Politik interessieren würden als Männer, stimmten die jungen Frauen fast gar nicht zu.

Frauen müssen medial sichtbarer sein

„Das hohe Interesse an politischen Themen reicht nicht aus, um sich politisch zu engagieren“, betont Enengl. Denn viele junge Frauen würden schon heute Faktoren wahrnehmen, die ihnen das politische Engagement erschweren können. Inwieweit Hürden tatsächlich erlebt wurden, sei nicht entscheidend. „Die Befürchtung, dass man sich als Frau schwerer in der Politik verwirklichen kann, ist unter den jungen Frauen präsent“, sagt Enengl und verweist auf tradierte Stereotype, die von diesen erlebt, weitergetragen und zum Teil akzeptiert werden.

Um Frauen für das politische Engagement, das neben der Parteipolitik auch die Zivilgesellschaft umfasst, stärker zu motivieren, muss man nach Ansicht der weiblichen Befragten Frauen in der Politik medial sichtbarer machen. Zudem müsste die Parteiarbeit bzw. die politische Tätigkeit familienfreundlicher gestaltet werden. Diesen Strategien stimmte fast die Hälfte der jungen Frauen voll zu. Hingegen sahen nur 17 Prozent der befragten jungen Männer die Notwendigkeit, die mediale Sichtbarkeit von Frauen in der Politik zu erhöhen.

„Die befragten Burschen und Männer sehen die Problemlagen anders als die jungen Frauen“, sagt Enengl. Die Aussage, dass Frauen gezielt angesprochen werden oder stärker in die männlichen Netzwerke miteinbezogen werden müssten, erhielt ebenfalls eine hohe Zustimmung. Für verbindliche Frauenquote spricht sich zwar auch ein großer Teil der weiblichen Befragten aus, dennoch ist der Wert niedriger als bei den anderen Maßnahmen, die man setzen könnte, um Frauen zur politischen Teilhabe zu bewegen.

Gespräche, politische Themen und Interesse

Ein „zentrales Ergebnis“ der Untersuchung sei, dass junge Menschen dort erreicht werden wollen, wo sie sich aufhalten, sagt die Forscherin. Der Zugang zur Politik müsse niederschwellig sein, etwa über Vereine, die politische Bildung in den Schulen und soziale Netzwerke. Auch das private Umfeld sei äußerst wichtig, um an Informationen zu kommen. Der Großteil der jungen Frauen tauscht sich in der Familie regelmäßig bzw. sporadisch über politische Themen aus.

Ein kleiner Teil der Befragten gab an, mit den Eltern täglich über Politik zu sprechen, der weitaus größere Teil der weiblichen Befragten redet wöchentlich bzw. monatlich über politische Themen. „Die Ergebnisse zeigen, dass sich junge Männer deutlich öfters als junge Frauen über Politik austauschen“, sagt Forscherin Enengl. Zwar handle es sich um Beispiele, aber es sei erkennbar, dass Politik „auch anders erlebt und wahrgenommen“ wird.

Was die politischen Themen betrifft, zeigten sich junge Frauen stark an Frauen- und Gleichstellungspolitik interessiert. Dahinter folgten die Bereiche Gesundheit, Bildung und Familie sowie die soziale Lage und die Klimapolitik. Unter den gleichaltrigen Männern stießen die Themen auf deutlich weniger Interesse. „Wir haben signifikante Unterschiede festgestellt“, sagt Enengl. Junge Männer gaben an, sich stärker für Wirtschaft, internationale Kooperationen und demografischen Wandel zu interessieren.

Handlungsmacht von jungen Frauen stärken

Aus der Studie geht außerdem hervor, dass sich junge Frauen eher für die politischen Ebenen der Schule und der Gemeinde interessieren. Das Ergebnis sei aber begrenzt aussagekräftig und nur mit Vorsicht zu interpretieren, sagt Enengl. Grundsätzlich zeige sich allerdings, dass je näher die Politik an der Lebensrealität der Befragten ist, desto stärker ist das Interesse daran.

Grundsätzlich hätte lediglich ein kleiner Teil der befragten 14- bis 25-Jährigen angegeben, später in die Politik zu gehen, betont Enengl. Um die politische Teilhabe zu heben, müssten noch viele Zugänge und Berührungspunkte sowie Räume für Austausch geschaffen werden. „Politik muss unter jungen Frauen und Männern als ein alltagsrelevantes Thema verstanden werden, nur so wird sie nahbar“, sagt Enengl. Es sei wichtig, dass die Handlungsmacht von Mädchen und jungen Frauen gestärkt wird. „Dazu braucht es Vorbilder, die Stereotype aufbrechen.“