Menschenmenge und Banner mit der Aufschrift „COP 28 UAE“ und „Unite. Act. Deliver.“ auf der UNO-Klimakonferenz in Dubai
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Abkehr von „Fossilen“

„Deutliches Signal“ an Welt, mit Abstrichen

Die UNO-Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai hat am Mittwoch mit einem Kompromiss geendet. Erstmals wird in einem Abschlussdokument die Abkehr von den fossilen Energiequellen Kohle, Öl und Gas erwähnt. Der Präsident der COP, Ahmed al-Dschaber von den Vereinigten Arabischen Emiraten, nannte das „historisch“. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zogen im Gespräch mit ORF.at eine gemischte Bilanz.

Zu Beginn der Weltklimakonferenz waren die Hoffnungen auf eine ähnlich bedeutsame Entscheidung wie 2015 groß gewesen. Damals hatten sich die 195 Teilnehmerstaaten auf das Pariser Klimaabkommen geeinigt, das nach wie vor wohl einen der wichtigsten Grundsteine im Bereich des globalen Klimaschutzes darstellt.

Darin wurde vereinbart, die Klimaerwärmung auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen und Anstrengungen für eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius zu unternehmen. Welche Rolle die fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle dabei spielen sollen, war der größte Streitpunkt der heurigen COP.

Während einige Länder und NGOs auf einem „Phase-out“, also einem kompletten Ausstieg aus fossiler Energie, beharrt hatten, hatten sich die ölfördernden arabischen Länder vehement dagegen ausgesprochen. Der am Mittwoch vorgelegte Beschluss gilt als Kompromiss: Er sei zwar „ein deutliches Signal der Weltgemeinschaft, mit dem die schrittweise Abkehr von den fossilen Energien eingeläutet wird“, schreibt Jan Kowalzig von der Organisation Oxfam. Er komme aber „mit ärgerlichen Abstrichen, die die Einhaltung der wichtigen 1,5-Grad-Schwelle gefährden“.

Kritik an „Übergangslösungen“

Ein Lichtblick sei zwar der schon am ersten Tag der Konferenz erzielte Beschluss zur Einrichtung eines neuen Fonds zur Bewältigung von Klimafolgeschäden in den besonders gefährdeten Ländern des Globalen Südens. Insbesondere die Betonung von Erdgas als Übergangslösung bezeichnete er aber als eine von mehreren „bedenklichen Schattenseiten und Schlupflöcher“.

COP28: „Abkehr“ von fossilen Brennstoffen

In der Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai wurde noch einmal umformuliert. Als Ziel wurde eine „Abkehr“ – und kein Ausstieg – von fossilen Brennstoffen gesetzt.

Die Förderländer von Erdgas und die fossile Industrie würden das wohl weiter als „Freifahrtschein“ für die Ausweitung der Gasförderung werten. Zum wiederholten Male werde übersehen, dass Erdgas überwiegend aus Methan bestehe, „einem vielfach wirkmächtigeren Treibhausgas als CO2“, kritisieren auch die Scientists4Future in einer Aussendung. Auch Atomkraft als Übergangslösung sorgt für Kritik.

Dass die Abscheidung und Speicherung von CO2 („Carbon Capture“, kurz CCS) in der Erklärung als Lösung genannt wird, hatte die ehemalige Leiterin des Sekretariats des UNO-Weltklimarates (IPCC), Renate Christ, im Vorfeld als „Einzementierung des fossilen Zeitalters in die Zukunft“ bezeichnet. Man solle eher weiter auf den Ausbau der erneuerbaren Energie setzen, denn das sei, „wo der Zug hingeht“, sagte sie am Dienstag im Rahmen eines Pressegesprächs.

Keine „historischen“, aber generelle Zielsetzungen

Es sei begrüßenswert, dass es ein Bekenntnis gebe, die Methanemissionen zu verringern, so Alina Brad vom Institut für Internationale Politik an der Uni Wien gegenüber ORF.at. Hier fehle aber ein „konkretes Ziel“. CCS würde eine Rolle beim Ausgleich schwer vermeidbarer Restemissionen, etwa in der Stahl- und Zementindustrie, spielen – dürfte aber „auf keinen Fall dazu dienen, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern weiter zu verschleppen.“

„Historisch“ sei der Abschlusstext zwar nicht, allerdings würden erstmals fossile Brennstoffe als Ursache der Klimakrise explizit in einem Abschlussdokument einer COP benannt. Auch dass das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2050 auf netto null zu bringen, im Dokument verankert worden ist, hebt die Politikwissenschaftlerin positiv hervor.

Umweltministerin Gewessler (Grüne) zum Klimagipfel

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist aus Dubai zugeschaltet, wo die UNO-Klimakonferenz zu Ende gegangen ist. Der bei der COP28 erzielte Kompromiss zur Abkehr von fossilen Brennstoffen sorgt bei Politik, Fachleuten und NGOs für gemischte Reaktionen.

Huppmann: Glas halbleer und halbvoll

Als positiv sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass in dem Abschlusstext ein Fokus darauf gelegt werde, dass der Klimaschutz bereits bis 2030 „massiv ausgebaut“ werden müsse, sagte Klima- und Energieforscher Daniel Huppmann am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal. Der Ausbau von Technologien wie Atomkraft und CCS nehme wesentlich mehr Zeit in Anspruch, weshalb klar sei, dass man primär auf andere Maßnahmen setzen müsse.

2015 war die Welt auf eine Erwärmung von plus vier Grad Celsius zugesteuert, nun seien es drei. Das sei zwar immer noch „viel zu viel“, man könne das Glas aber sowohl als halbleer, als auch als halbvoll sehen, zog der Klimaforscher Bilanz.

Auch heurige Konflikte mit „Signalwirkung“

Das Konsensprinzip der COP sowie die unterschiedlichen Interessen der 200 Teilnehmerstaaten würden immer zu Kompromissen auf einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ führen, so der Politikwissenschaftler Etienne Schneider vom Institut für Internationale Entwicklung an der Uni Wien gegenüber ORF.at. Gleichzeitig könnten aber auch die Konflikte der heurigen COP „Signalwirkung“ haben. Der Ausstieg aus fossiler Energie sei etwa heuer von wesentlich mehr Ländern unterstützt worden.

„Es ist also nicht nur wichtig, welcher Konsens gefunden wird, sondern auch, dass sichtbar wird, wie sich Mehrheits- und Kräfteverhältnisse verschieben – auch wenn sich das nicht immer unmittelbar in einem Abschlusstext niederschlägt.“ Zudem könne man von den COPs nicht die Lösung der Klimakrise erwarten. Die wichtigsten Richtungsentscheidungen müssten anderswo getroffen werden – nämlich in den Nationalstaaten, die die Beschlüsse der COP umsetzen müssen.

„Nicht die Hände in den Schoß legen“

Auch die langjährige Leiterin des IPCC-Sekretariats Christ verwies gegenüber ORF.at, unabhängig von den auf der COP festgelegten Zielen, auf den Handlungsspielraum der Länder. Man dürfe nicht die Hände in den Schoß legen und sich damit abfinden, dass man das 1,5-Grad-Ziel nicht erreicht habe, sondern müsse „den Druck aufrechterhalten und die positiven Visionen, die man mit einer klimafreundlichen Zukunft hat“, wie mehr biologische Vielfalt oder weniger Verkehrstote.

Als wesentlich galt heuer auch der Abschlusstext zur globalen Bestandsaufnahme, der „Global Stocktake“. Dem heurigen COP-Präsidenten Dschaber zufolge sollen so die Pariser Klimaziele in Reichweite gehalten werden. Der „Global Stocktake“ überprüft im Fünfjahresrhythmus die Umsetzung der nationalen Klimaziele, die sich Staaten zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens gegeben haben, und fand jetzt zum ersten Mal statt.