Gernot Blümel
ORF/Roland Winkler
Kurz-Prozess

Blümel schweigt zu Sideletter-Fragen

Im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat sich Ex-Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) am Donnerstag zu Fragen rund um den Sideletter für die Aufteilung von Aufsichtsratssitzen mehrheitlich entschlagen. Zu Kurz pflegt Blümel weiter engen Kontakt, zu Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid weniger. Bezüglich Personalentscheidungen sagte Blümel, vor allem über sich selbst: „Am Ende entscheidet immer der Minister.“ Kurz selbst hielt ein emotionales Plädoyer.

Blümel argumentierte die Entschlagungen damit, dass er auf Anraten seines Anwalts, Martin Huemer, von diesem Recht vor allem im Zusammenhang mit dem Sideletter Gebrauch mache wegen der konkreten Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung. Der Sideletter ist allerdings zentrales Element in der Verhandlung. Er wurde von Schmid für die ÖVP und Arnold Schiefer für die FPÖ verhandelt und sah eine Aufteilung der Aufsichtsratssitze von 2:1 zwischen ÖVP und FPÖ vor.

Die Entschlagungen betrafen vor allem die Befragung durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Blümel zitierte aus der Begründung der Staatsanwaltschaft für Einstellung seines Verfahrens aus 2023. Daraus gehe klar hervor, dass die Staatsanwaltschaft davon ausgehe, er, Blümel, habe falsch ausgesagt, dass sie aber aus anderen Gründen trotzdem das Verfahren habe einstellen müssen. Daher würden Aussagen von ihm nun vor Gericht ihn wieder in Gefahr bringen.

Gernot Blümel
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Blümel und der Mitangeklagte Bernhard Bonelli

WKStA-Staatsanwalt Gregor Adamovic hakte mehrmals nach, bis Blümel sichtlich genervt meinte: „Was ist daran so schwer zu verstehen?“ Als juristischem Laien sei ihm unklar, wie man sein Recht auf Entschlagung infrage stellen könne. Adamovic und Zweitankläger Roland Koch erläuterten schließlich den Hintergrund ihrer Fragen: Wegen der Gefahr eines Aussagedelikts könne sich Blümel nicht entschlagen. Richter Michael Radazstics gewährte schließlich das Entschlagungsrecht.

Einst enges Verhältnis zwischen Blümel und Schmid

Kurz wird wie seinem einstigen Kabinettschef Bernhard Bonelli von der WKStA vorgeworfen, seine Rolle bei den Postenbesetzungen etwa für den Aufsichtsrat der ÖBAG kleingeredet zu haben. Die Angaben des Ex-Kanzlers widersprechen denen von Schmid. Kurz beharrt darauf, dass er informiert, aber nicht involviert gewesen sei. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Blümel hatte in den Regierungen Kurz I und Kurz II zentrale Funktionen, er war unter anderem Verhandler für die türkis-blaue Regierung, Regierungskoordinator und Finanzminister. Mit seinen Aussagen am Donnerstag stützte er jedenfalls Kurz und Bonelli bzw. deren Verteidigungslinie.

Für Schmid war Blümel erster Ansprechpartner, er sagte zudem aus, dass Kurz immer habe mitreden wollen. Schmid sagte aus, zu Blümel ein besonders enges Verhältnis gehabt zu haben, das bestätigte auch Blümel. Man sei fünf Jahre lang in einem Zimmer gesessen, er habe Schmid in seiner Tätigkeit im Finanzministerium gerade im Zusammenhang mit der Budgeterstellung sehr geschätzt, so Blümel. Mittlerweile sei das Verhältnis viel loser, zuletzt habe man sich zum Geburtstag gratuliert.

Personalfragen waren „laufend“ Thema

In der Befragung, zunächst durch Richter Radasztics sagte Blümel, es sei quasi „laufend“ über Besetzungen und Personalia geredet worden. Das betreffe nicht nur die Koalitionsverhandlungen oder das Nominierungskomitee, das Vorschläge für die Vergabe von Aufsichtsratsposten in staatsnahen Betrieben erarbeitete. An einen „so strengen Schlüssel wie medial kolportiert, 2:1“, speziell für den Sideletter, könne er sich allerdings nicht erinnern.

Angesprochen auf tatsächliche Entscheidungen und Kurz’ Einfluss verwies Blümel auf sein Verständnis seiner Ministertätigkeit: Er habe Entscheidungen getroffen, „wie sie für mich wichtig waren“. Als Minister seien „regelmäßig viele Menschen" auf einen zugekommen, im Normalfall versucht man, ein höflicher Mensch zu sein und nicht zu sagen: Das geht dich nichts an.“ Für die Auswahl der Aufsichtsräte sei „aus meiner Sicht eindeutig“ jedenfalls der Finanzminister, damals Hartwig Löger (ÖVP), zuständig.

Entscheidungen auch im Umlaufbeschluss

Dass es Aufregung gab, dass im Nominierungskomitee keine Vertreter der FPÖ saßen, dazu meinte Blümel, er habe sich über die Berichterstattung gewundert. Er verwies darauf, dass alle Beschlüsse im Ministerrat einstimmig fallen müssen, jede Partei habe dort die Möglichkeit gehabt, ein Veto gegen Entscheidungen einzulegen. Seine Aufgabe als Koordinator sei jedenfalls gewesen, die Beschlüsse im Ministerrat entsprechend vorzubereiten, damit die Beschlüsse vorab koordiniert wurden und es im Ministerrat „reibungslos“ abläuft.

Sebastian Kurz
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Kurz äußerte sich am Ende des Verhandlungstags besonders emotional

Aus einer SMS Schmids geht auch hervor, dass Personalentscheidungen im Nominierungskomitee teils im Umlaufbeschluss getroffen wurden. Blümel bestätigte das. Der Richter verwies – konkret bei einem Umlaufbeschluss binnen 24 Stunden zu einem Post-Aufsichtsrat – darauf, dass das aber nicht mit Blümels Aussage zusammenpasse, dass Personalia intensiv diskutiert worden seien. Die vielen Personalvorschläge habe er in der Regel „an sich vorbeiziehen lassen“, so Blümel auf die entsprechende Frage des Richters.

Je medial relevanter ein Posten, desto mehr Debatten

Je medial relevanter ein Posten war, desto intensiver sei debattiert worden, so Blümel weiter. Es habe „viele Meinungsäußerungen“ gegeben, wichtig sei gewesen, bei „medial relevanten“ Personalien professionell aufzutreten. Er sei selbst für viele Themen Ansprechperson gewesen, auch als Mitglied im Nominierungskomitee, viele Menschen hätten ihn um Einschätzungen gebeten, auch Schmid, „weil wir uns lange kannten“.

Nicht alles, womit ihn Schmid konfrontiert habe, sei immer „rasend interessant“ gewesen. Gefragt nach der mittlerweile breit bekannten Chatnachricht „du bist Familie“ und einer Frage zur Meinung von Kurz bezüglich Aufsichtsräten, meinte Blümel, er wollte Schmid damit beruhigen, da man sich schon lange kenne. Oft sei er, Blümel, gefragt worden, was Kurz denke, weil er ihm so nahegestanden sei – und auch heute noch sehr nahestehe.

Schmid „ein g’scheiter Typ“

Nicht erinnern konnte sich Blümel, wann genau Schmid sich als Interessent für den ÖBAG-Chefsessel deklariert hatte. Schmid habe aber klar gesagt, dass er den Posten anstrebe. Er habe Schmid jedenfalls für geeignet gehalten, „er ist ein g’scheiter Typ, auch wenn ich persönlich sicher keine Freude gehabt hab, dass er weggegangen ist“.

Dass er an Schmid unter anderem schrieb: „Ich hab dir deine ÖBIB gerettet“, interpretierte Blümel damit, dass Schmid als Generalsekretär im Finanzministerium mit der Gesetzeswerdung zur ÖBAG intensiv beschäftigt war. Das gelte auch für andere Nachrichten wie etwa „Schmid-AG“ fertig. Für ihn persönlich sei die ÖBAG nicht relevant gewesen, da er auch inhaltlich nicht zuständig gewesen sei, „das war echt nicht mein größtes Problem“.

Emotionale Stellungnahme von Kurz

Am Ende des Verhandlungstags bekam Kurz einmal mehr die Möglichkeit, zu den letzten Verhandlungstagen selbst Stellung zu nehmen. Dabei wurde Kurz ausgesprochen emotional, bis hin zu: „Ich krieg schon langsam Schwammerl.“ Er sehe jedenfalls nicht, wo er bezüglich Schmid eine unterstützende Handlung gesetzt habe, außer dass er Schmid gesagt habe: „Du bist super.“

Beim nächsten Verhandlungstag am 30. Jänner werden ÖBAG-Aufsichtsrätin Susanne Höllinger, Bernd Brünner (Ex-Generalsekretär im Bundeskanzleramt) und Helmut Kern (Ex-ÖBAG-Aufsichtsratschef) befragt. Am 31. Jänner reist Günther Helm, einst ÖBAG-Aufsichtsrat, aus Saudi-Arabien an, am Nachmittag werden zwei Zeugen der Verteidigung aus Russland per Zoom direkt in der Botschaft in Moskau befragt.