Peter Goldgruber beim U-Ausschuss zum „roten-blauen Machtmissbrauch“
ORF/Lukas Krummholz
„Rot-Blau“-U-Ausschuss

Prominente Entschlagung, Zeugenschwund

Der erste Tag des von der ÖVP beantragten U-Ausschusses zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ hat sich mehr als holprig gestaltet: Zwei der drei Auskunftspersonen – Ex-Innenminister Wolfgang Peschorn und der Leiter der Innenrevision – sagten wenig Konkretes zu den teils allerdings auch vagen Fragen der Abgeordneten. Der dritte Zeuge, der Ex-Generalsekretär zur Zeit von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), entschlug sich der Aussage überhaupt. Nun droht ihm eine Beugestrafe. Zudem entfällt der zweite Befragungstag ganz, da alle sechs geladenen Zeugen absagten.

Im Zentrum der Befragungen standen laut einem Revisionsbericht ein überdurchschnittlich großes Kabinett in Kickls Innenministerium, freihändige Auftragsvergaben etwa an einen FPÖ-nahen Berater und hohe Gehälter von Kabinettsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern – ausgelöst vor allem durch nicht pauschalierte Überstundenzahlungen. Die FPÖ, die den U-Ausschuss für verfassungswidrig hält, wollte keine einzige Frage stellen.

Ex-Generalsekretär Peter Goldgruber begründete seine Antwortverweigerung damit, dass seiner Meinung nach der U-Ausschuss nicht verfassungskonform sei. Außerdem führte Goldgruber ins Treffen, dass er sich auch wegen Gefahr strafrechtlicher Verfolgung entschlage. Zudem würde er sich dem Risiko einer disziplinarrechtlichen Verfolgung aussetzen, zudem berief er sich auf die Amtsverschwiegenheit.

U-Ausschuss über Ära Kickl startet

Der U-Ausschuss über „roten-blauen Machtmissbrauch“ hat am Mittwoch mit der Befragung des Ex-Innenministers Wolfgang Peschorn begonnen und war inhaltlich dabei vorerst nicht allzu ergiebig. Als größter Streitpunkt kristallisierte sich die Frage heraus, ob die Beziehungen der FPÖ zu Russland und zu dem unter Spionageverdacht stehenden Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek Gegenstand der Befragung sein dürfen.

Goldgruber droht Beugestrafe

Trotz eines Hinweises des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Gerstl, dass ihm im Fall der Aussageverweigerung eine Beugestrafe drohe, blieb Goldgruber bei seiner Position. Nach Hinweis der Verfahrensrichterin Christa Edwards verlas Goldgruber wiederholt bei jeder einzelnen Frage einen seitenlangen Text, in dem er seine Entschlagung detailliert begründete.

Sein Vorgehen führte zu teils lauteren Debatten zwischen den Parteien – insbesondere ÖVP und FPÖ krachten dabei zusammen. Von „rotzfrech“ bis „Missachtung des Parlaments“ reichten die Vorwürfe der ÖVP; SPÖ und FPÖ konterten, die ÖVP habe Fehler gemacht, es gebe rechtliche Unklarheiten und es sei „kühn“, was die ÖVP nun mache. Beantragt wird nun beim Bundesverwaltungsgericht eine Beugestrafe. Zudem wird Goldgruber erneut geladen.

Peter Goldgruber beim U-Ausschuss zum „roten-blauen Machtmissbrauch“
ORF/Lukas Krummholz
Goldgruber war Kickls engster Mitarbeiter im Innenministerium und verweigerte jede Aussage

ÖVP, Grüne und NEOS kritisierten Goldgruber scharf – konstatierten eine „Verhöhnung des Parlaments“, auch aufseiten der FPÖ, die offenbar keinerlei Interesse an einer Aufklärung habe und einfach Fragen verweigere. Die SPÖ erneuerte ihre Kritik an einem ihrer Ansicht nach fehlerhaften Antrag der ÖVP, der das Instrument U-Ausschuss zu beschädigen drohe.

NEOS: Büro für „Wirecard-Lobbyist“ im BVT

NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty sagte, Akten würden belegen, das Kickl dem „Wirecard-Lobbyisten“ und deutschen Ex-Staatssekretär und Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche ein Büro im BVT und Zugang zu allen, auch geheimen, Akten gegeben habe. Das habe Goldgruber selbst angeordnet.

Hanger sagte, er hätte zahlreiche Fragen gehabt: Unter anderem nannte er die Verwendung von Dienstautos, die Beauftragung eines FPÖ-nahen Beraters und die Ausgaben für Personal im Kabinett und die Beziehungen Kickls zu Russland.

Grundlage für die Befragung sind zwei von Peschorn beauftragte Revisionsberichte, einer zu Personal und Gehältern in den verschiedenen Kabinetten im Innenministerium unter Kickl und seinen Amtsvorgängern, Wolfgang Sobotka und Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP), und einer zu den Inseratenausgaben.

Kickls Polizeipferde und die Rossknödelfrage

Peschorn hatte unter anderem erklärt, warum er das Prestigeprojekt von Kickl, die berittene Polizei, abstellte. Es habe zahlreiche Argumente dagegen gegeben, darunter die Frage, was mit den beim Einsatz anfallenden „Ausscheidungen“, also Rossknödeln, passiere.

Die Pferde hätten teils ein zu hohes „Stockmaß“ gehabt, sprich: Reiter hätten Probleme beim Aufsteigen gehabt. Und die Pferde waren außerdem in Wiener Neustadt, weitab vom Einsatzort Wien, untergebracht gewesen. Es habe weiters nur einen Pferdeanhänger gegeben. Beides wäre wohl auch unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes problematisch gewesen, so Peschorn mit einem ironischen Unterton. Er hatte sich eingangs kritisch zum U-Ausschuss und insbesondere dem sehr breiten Untersuchungsgegenstand geäußert.

Verfahrensrichterin Christa Edwards beim U-Ausschuss zum „roten-blauen Machtmissbrauch“
ORF/Lukas Krummholz
Verfahrensrichterin Edwards und der Vorsitzende Gerstl mussten sich wegen Goldgruber häufig beraten

Marsalek und Kontakte zu FPÖ als Streitthema

Während der Befragung Peschorns tauchte auch die Frage auf, ob ein zentrales Thema des Ausschusses – die Beziehungen der FPÖ nach Russland und zum unter Spionageverdacht stehenden Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek – überhaupt untersucht werden dürfe. Nach längerer Debatte wurde entschieden, dass das von Fall zu Fall zu entscheiden sei und davon abhängt, ob ein konkreter Konnex zum U-Ausschuss-Thema hergestellt wird, im Wesentlichen Auftragsvergabe, Postenbesetzungen bzw. Medienkooperationen in FPÖ- bzw. SPÖ-geführten Ministerien im Zeitraum 2007 bis 2020.

Keine elektronische Stundenaufzeichnung

Bei der Befragung des Leiters der Innenrevision kam zutage, dass die in der Bundesverwaltung grundsätzlich verpflichtende elektronische Dienstzeiterfassung in Ministerkabinetten bis heute nicht umgesetzt ist. Es gebe allerdings Ausnahmebestimmungen. Argumentiert werde dabei mit dem Sicherheitsargument. Sensible Informationen könnten dadurch an Personen gelangen, die nicht für sie gedacht sind.

Die Befragung gab Einblicke in die Vorgangsweise und die Arbeit der Leitung der internen Revision. Zu Fragen wie beispielsweise zu den Tausenden vom ehemaligen Kabinettschef Reinhard Teufel per Dienstwagen zurückgelegten Kilometern hieß es dagegen immer wieder: „Keine Wahrnehmung“.

Abzuwarten bleibt nun, wie es mit dem U-Ausschuss angesichts der gehäuften Aussageverweigerung bzw. dem Nichterscheinen von Geladenen weitergeht. Fix ist nur der Zeitplan: Die beiden nächsten geplanten Befragungstage sind der 10. und 11. April. Mehr als 30 Personen hat die ÖVP auf ihrer Befragungsliste.