Mikrofon im Ausschusslokal
ORF/Lukas Krummholz
„Rot-Blau“-U-Ausschuss

Krankenkassen und Spionageaffäre im Fokus

Der von der ÖVP beantragte Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ könnte diese Woche doch an Fahrt gewinnen. Geladen ist unter anderen die ehemalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), sie soll etwa zur Reform der Krankenkassen befragt werden. Am Donnerstag soll FPÖ-Parteichef Herbert Kickl kommen. Ihn erwarten als ehemaligen Innenminister Fragen zur Spionageaffäre rund um Egisto Ott und das BVT. Die Befragung beginnt gegen Mittag.

Seit Bekanntwerden der Spionagevorwürfe gegen den ehemaligen Verfassungsschützer Ott und seine mutmaßliche „Spionagezelle“ im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist vor allem die FPÖ im Visier von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS auf der Suche nach politisch Verantwortlichen. Sie stützen sich dabei auch auf Aktenlieferungen an den Ausschuss.

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger etwa sagte am Montag, dass man in den Akten Belege dafür gefunden habe, dass Kickl als damaliger Innenminister nach der Razzia beim BVT Ott eine zentrale Rolle in der Neuaufstellung des Geheimdienstes zugedacht habe. Ott hätte eine Koordinierungsstelle in einem der Referate des BVT leiten und damit Zugang zu geheimen Dokumenten bekommen sollen, so Hanger.

Laut Hanger existiert ein Chat zwischen dem ehemaligen FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein und Ott, in dem Ersterer dem Verfassungsschützer angekündigt habe, bei der Neustrukturierung des Geheimdienstes im März bzw. April 2019 „mit dabei zu sein“. Dazu sei es im Zuge der „Ibiza“-Affäre nicht mehr gekommen. Jenewein habe damals als „rechte Hand“ Kickls fungiert.

Hanger ortete Indizien dafür, dass Kickl davon wusste, und führte etwa den Freundschaftsvertrag der FPÖ mit Wladimir Putins Partei Geeintes Russland ins Treffen. Befragen will die ÖVP Kickl aber auch unter anderem zum Thema Postenschacher und Günstlingswirtschaft.

Grüne sehen Fragen zu Russland zulässig

Zu den Beziehungen der FPÖ zu Russland wollen auch die Grünen im Ausschuss fragen. „Nicht nur dabei, sondern mittendrin“ sei die FPÖ gewesen, als verlängerter Arm des Kremls, sagten Grünen-Fraktionsführerin Meri Disoski und der Abgeordnete Markus Koza am Dienstag in einer Pressekonferenz.

So habe der damalige FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache laut Chats auf Wunsch Russlands ein Treffen mit jungen österreichischen Beamten geplant. Disoski will klären, ob es für diesen „Kuschelkurs“ Gegenleistungen aus Russland für die FPÖ gegeben habe.

Einige Fragen zu den Russland-Beziehungen der FPÖ waren im U-Ausschuss zuletzt allerdings nicht zugelassen worden. Disoski verwies nun darauf, dass Ministerien Akten zu dem Thema geliefert hätten, man sei durchaus im Untersuchungsgegenstand. Im Allgemeinen brauche es aber einen eigenen Untersuchungsausschuss zum Thema Russland, befand sie. Auch die Beziehung zwischen der FPÖ und den Medien, auch besonders nahestehenden, wollen die Grünen hinterfragen.

Grundsätzlich werden die jüngsten Enthüllungen um Ott die Befragungen wohl dominieren, das zeigten die Statements der Parteien vor dem Ausschussstart am Mittwoch. NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty warf der ÖVP „Heuchelei“ vor, immerhin seien die Spionagevorwürfe schon unter der ÖVP-Führung im Innenministerium aufgetaucht. Auch ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger verwies darauf, dass man schon seit 2017 von einer Spionagetätigkeit von Ott ausging, aber unter Kickl sei Ott erneut beschäftigt worden.

Suche nach der Patientenmilliarde

Zunächst werden am Mittwoch aber die Reform der Krankenkassen unter der Regierung von ÖVP und FPÖ und die dadurch versprochene Patientenmilliarde Thema sein. Dazu wird neben der damaligen Sozialministerin Hartinger-Klein zunächst Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker befragt werden. Mit Kraker beginnt die Befragung erst gegen Mittag, die erste Auskunftsperson sagte ab.

Der RH vermisste in seinem Prüfbericht zur Krankenkassenreform die versprochenen Einsparungen und sah nur Mehrkosten. Fragen wollen die Grünen Hartinger-Klein weiters, wie Postenbesetzungen und Beraterverträge in ihrem Ministerium zustande gekommen sind.

Die Grünen vermuten hinter der Reform der Krankenkassen vor allem den Versuch einer Umfärbung und möglichen Postenschacher. Koza kritisierte außerdem, dass zahlreiche Akten vernichtet worden seien und dass von Hartinger-Klein auch Akten auf viele Jahre versiegelt wurden – ohne Möglichkeit einer Einsichtnahme. Das Bundesarchivgesetz brauche „dringend eine Reform“, so Koza.

Ex-Ministerin Hartinger-Klein im U-Ausschuss

Beim Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ ist unter anderen die ehemalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) geladen. Befragt werden soll sie zur Reform der Krankenkasse.

FPÖ weist Kritik von sich

Die FPÖ wies sowohl am Montag als auch am Dienstag jegliche Kritik zurück und richtete den Blick ihrerseits auf die ÖVP. Die Grünen würden „ÖVP-Unwahrheiten“ nacherzählen, so FPÖ-Generalsekretär und U-Ausschuss-Fraktionsvorsitzender Christian Hafenecker in einer Aussendung. Schließlich sei Ott unter ÖVP-Innenministern die Karriereleiter im BVT hochgeklettert. Die Probleme gingen ohnedies allesamt auf Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) zurück.

Ott sei auch vor der Angelobung der türkis-blauen Regierung wegen Spionageverdachts suspendiert worden, der ehemalige BVT-Direktor Peter Gridling habe ihn aber „offenbar nicht überwachen“ lassen. Gridling habe „nie irgendetwas im Griff“ gehabt, er sei von anderen Geheimdiensten auch nicht ernst genommen worden. Den Grünen warf Hafenecker vor, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen, ehemals grüner Bundessprecher, Wladimir Putin 2018 zum Wahlsieg gratuliert hat.

NEOS ortete bei der ÖVP am Montag „Kindesweglegung“. Die ÖVP habe Kickl zum Innenminister gemacht und habe davor selbst Jahrzehnte den Innenminister gestellt. Postenkorruption sei dabei „systemisch“ gewesen. In dieselbe Kerbe schlug die SPÖ: Ott habe unter ÖVP-Innenministern Karriere im BVT gemacht.

Wer kommt und wer wird tatsächlich aussagen

Zum Thema Spionageaffäre wird wohl auch die für Mittwoch ebenfalls geladene ehemalige Leiterin des Extremismusreferats im BVT befragt werden. Für den Donnerstag weiters geladen sind Alexander Höferl, ehemals Kommunikationschef im Kabinett Kickl. Er war davor Chefredakteur bei Unzensuriert.at, einer der FPÖ nahestehenden und sehr rechts stehenden Infoplattform.

Weiters geladen sind der ehemalige stellvertretende Büroleiter des Generalsekretariats im Innenministerium sowie Reinhard Teufel, Kickls ehemaliger Kabinettschef im Innenministerium und nunmehr FPÖ-Klubobmann im niederösterreichischen Landtag. Offen ist, ob die der FPÖ nahestehenden Geladenen aussagen werden. Peter Goldgruber, Generalsekretär unter Kickl, entschlug sich bei seiner Ladung sämtlichen Aussagen, unter anderem mit der Begründung, der Ausschuss sei nicht verfassungskonform. Abzuwarten bleibt außerdem, ob die Geladenen auch wirklich alle kommen.