Beate Meinl-Reisinger (NEOS) im ORF.at-„Wahlstimmen“-Studio
ORF.at/Carina Kainz
„Wahlstimmen“

Meinl-Reisingers liberale Ansprüche

Als Vertreterin einer politischen Mitte präsentiert sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf der ORF.at-„Wahlstimmen“-Couch. Im Widerspruch zu einem liberalen Anspruch steht das laut der Spitzenkandidatin nicht – ebenso wenig wie Sozialleistungen oder eine CO2-Steuer.

Ist NEOS nun eine ÖVP mit anderem Anstrich oder doch eher anders gefärbte Grüne? Das sind Fragen, mit denen man Parteichefin Meinl-Reisinger sichtlich keine Freude macht: „Ich finde das bemerkenswert, dass man im siebten Jahr der Gründung noch nicht anerkennt, dass wir einfach NEOS sind, eine liberale Partei.“ Und als solche stehe NEOS „am meisten in der Mitte“, sagt die Spitzenkandidatin im Gespräch mit ORF.at-Chefredakteur Gerald Heidegger.

Noch mehr ärgert Meinl-Reisinger, wenn ihre Partei mit Sozialabbau in Zusammenhang gebracht wird. Dass NEOS nicht für Sozialleistungen stehe, „ist eine Unterstellung, die ich ganz entschieden zurückweisen möchte“, sagt die Parteichefin. Tatsächlich hat die Partei – nach dem Vorbild der deutschen FDP – ihr Konzept der Mindestsicherung mit dem Adjektiv liberal versehen: „Liberales Bürgergeld“ nennt NEOS das auf einer Negativsteuer basierende Modell. Das Bürgergeld sei dabei „ganz anders als das jetzige Modell der Mindestsicherung“, so Meinl-Reisinger. Es mache „Menschen nicht zu Bittstellern“ und „belohnt“ die, „die dann noch etwas tun“.

Liberale Sozialleistungen

Absichern und Anreize setzen – das soll das „Liberale Bürgergeld“ von NEOS

CO2-Steuer gegen „ausländische Lkws“

Auf eine Art Belohnungssystem setzt NEOS auch im Kampf gegen die Klimakrise. In ihrem CO2-Konzept nutze die Partei „Marktmechanismen“, sagt Meinl-Reisinger. „Umweltverschmutzung bekommt einen Preis“, zugleich sollen Abgaben wie Lohn- und Einkommenssteuer sinken. Besonders hebt die NEOS-Chefin die geplanten Maßnahmen im Verkehrsbereich hervor. Um 30 Prozent würden die CO2-Emissionen im Verkehr reduziert werden – „das ist enorm“.

„Wahlstimmen“ im Studio

Zwei Wochen lang sammelte ORF.at „Wahlstimmen“ in ganz Österreich. Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten bekommen eine Auswahl davon zu sehen – und die Möglichkeit, darauf zu antworten.

Spürbar werden dürfte die CO2-Steuer dabei ganz besonders für Lkws – Meinl-Reisinger setzt davor noch ein „ausländisch“. Die Abschaffung des Dieselprivilegs und eine Anhebung der Treibstoffpreise soll den Transitverkehr aus Österreich wegbringen. „Die ausländischen Lkws, die trifft es“, sagt Meinl-Reisinger. Mit den heimischen Pkw-Fahrern legt sich NEOS allerdings nicht an. Da andere fahrzeugbezogene Steuern wegfallen, werden laut den NEOS-Plänen Fahrten mit Benzin-Pkws in Summe sogar günstiger als bisher. Das lässt sich so im CO2-Konzept der Partei nachlesen.

Düstere Zahlen fürs Pensionssystem

Reformen fordert Meinl-Reisinger auf der ORF.at-Wahlcouch freilich nicht nur in der Klimapolitik. 1970 seien die Menschen durchschnittlich neun Jahre in Pension gewesen. Heute seien es 22 Jahre, und die Lebenserwartung steige weiter, so die Parteichefin. „Da sieht man ja, dass dieser Generationenvertrag, der Österreich stark gemacht hat, ins Wanken geraten ist und man doch endlich ehrliche Reformen braucht“, sagt Meinl-Reisinger. „20 Milliarden zahlen wir jetzt schon aus dem Budget zu.“

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Beate Meinl-Reisinger (NEOS) auf dem Weg ins ORF.at-„Wahlstimmen“-Studio
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Meinl-Reisinger auf dem Weg ins ORF.at-„Wahlstimmen“-Studio
Beate Meinl-Reisinger (NEOS) im ORF.at-„Wahlstimmen“-Studio
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Als eine von acht Spitzenkandidatinnen und -kandidaten nahm die NEOS-Chefin auf der „Wahlstimmen“-Couch Platz
Beate Meinl-Reisinger (NEOS) im ORF.at-„Wahlstimmen“-Studio
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Wie antwortet Meinl-Reisinger auf die im ganzen Land gesammelten „Wahlstimmen“?
Beate Meinl-Reisinger (NEOS) im ORF.at-„Wahlstimmen“-Studio
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Die Palette der besprochenen Themen ist eine breite

Früher habe der Generationenvertrag geheißen: „Circa drei Menschen, erwerbstätige, sichern die Pension einer Pensionistin oder eines Pensionisten. Jetzt haben wir bald ein umgekehrtes System: dass ein Erwerbstätiger die Pensionen von drei Pensionistinnen und Pensionisten absichern muss“, so das düstere Zukunftsszenario der NEOS-Chefin. In die von Meinl-Reisinger genannten 20 Milliarden sind allerdings auch die Beamtenpensionen eingerechnet. Diese bezahlt der Staat zur Gänze, und sie machen mehr als die Hälfte der 20 Mrd. aus. Und laut einer Berechnung der – in dem Fall kaum der Schönfärberei verdächtigen – UNIQA-Versicherung werden 2060 zumindest noch 1,2 Erwerbstätige auf einen Pensionisten kommen.

Milliarden für Bildung und Infrastruktur

Wenn Meinl-Reisinger von „Generationenfairness“ spricht, dann geht es aber natürlich auch um eines der NEOS-Kernthemen: die Bildung. Während ÖVP und FPÖ in der vergangenen Regierung nur „Showpolitik gemacht“ hätten, werde sie „wirklich grantig“, wenn sie auf die Ergebnisse schaue. „Wir haben immer noch ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler, die die Pflichtschule verlassen und nicht sinnerfassend lesen können, nicht g’scheit rechnen können, teilweise nicht genug Deutsch können.“

„Bildungspflicht statt Schulpflicht“ lautet das – erst vor wenigen Wochen präsentierte – NEOS-Konzept dazu. Zentraler Punkt darin: eine „mittlere Reife“, also ein Abschlusstest nach der neunten Schulstufe. Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch „digitale Grundkompetenzen“ oder „das Thema politische Meinungsbildung“ – „diese Kompetenzen müssen erreicht werden. Dann ist es mir lieber, ein Kind ist zwei, drei Jahre länger in der Schule als dreißig Jahre beim AMS“, sagt Meinl-Reisinger. Mehr Geld soll es auch geben: Eine Milliarde sollen „im Zuge eines nachhaltigen Konjunkturpakets“ in den „Bildungsbereich“ investiert werden – beginnend beim Kindergarten.

Innovation statt „ökologisch dumme“ Raumplanung

Wie sich Meinl-Reisinger die bessere Erschließung des ländlichen Raumes vorstellt.

Eine ähnlich hohe Investitionssumme wünscht sich NEOS im Bereich Infrastruktur – auch um die Verkehrssituation auf dem Land zu verbessern. Einen Bahnausbau brauche es „auf jeden Fall – aber wir werden nicht in jeden hintersten Winkel Schienen legen können. Das heißt, es braucht innovative Konzepte, wie hier verschiedene Gemeinden sich auch zusammentun können.“ Und das brauche „auch simpel mehr Geld“, so Meinl-Reisinger.

Transparenz als Grundvoraussetzung

Kein Geheimnis macht Meinl-Reisinger daraus, dass sie ihre Pläne als Teil einer Regierung auf den Weg bringen will. NEOS sei bereit, „Verantwortung zu übernehmen“. Klar ist laut der Parteichefin aber auch, dass die kommende Regierung ÖVP-geführt sein wird: „Das ist ja keine Wahl, wo es um den Kanzler geht“, sagt Meinl-Reisinger.

Das gesamte Gespräch zum Nachschauen

Was sagt Meinl-Reisinger zu den im ganzen Land gesammelten „Wahlstimmen“? Die Antwort darauf bietet das gesamte Gespräch zum Nachschauen.

Eine Grundbedingung nennt die NEOS-Chefin am Ende des Gesprächs auf der ORF.at-„Wahlstimmen“-Couch aber: „Wir arbeiten mit keiner Partei zusammen, die nicht bereit ist zur Transparenz, die nicht bereit ist, sich kontrollieren zu lassen, und die nicht bereit ist, auch Sanktionen mitzutragen. Und da muss sich die ÖVP noch ordentlich bewegen.“