Eine Frau mit Laptop und Handy sitzt in einem kleinen Garten
Getty Images/Justin Paget
10 statt 14 Tage

So kam es zur kürzeren Quarantänezeit

Wer aktuell wegen einer möglichen oder nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus in Quarantäne muss, braucht nur noch zehn Tage abgesondert zu bleiben. Auch bei der Einreise aus Risikogebieten müssen Betroffene nur mehr zehn Tage in Quarantäne statt wie bisher 14 Tage. Diese Änderung dürfte aber vielen entgangen sein.

Seit Beginn der Pandemie galt eine 14-tägige Quarantänezeit für Personen mit positivem Testergebnis bzw. einer Covid-19-Erkrankung, ebenso wie für Kontaktpersonen und Personen bei der Einreise aus bestimmten Ländern nach Österreich. Mittlerweile muss nur mehr eine zehntägige Quarantänezeit eingehalten werden. Hintergrund sind laut Gesundheitsministerium und Experten jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach die Inkubationszeit und die Zeit, in der kranke Personen infektiös sind, geringer ist, als bisher angenommen.

Das Gesundheitsministerium beruft sich auf eine Metaanalyse, wonach die Inkubationszeit von Covid-19 maximal 10,6 Tage beträgt. Die meisten Personen würden bereits innerhalb von elf Tagen die ersten Symptome zeigen, durchschnittlich an Tag fünf bis sechs. Entsprechend würde ein kürzerer Zeitraum als 14 Tage Quarantäne ausreichen, heißt es – dabei gehe es auch um eine Abwägung der jeweiligen Risiken und Kosten für die Betroffenen, außerdem verweist man auf kürzere Quarantänezeiten in anderen Ländern.

Eine Woche Zeit zwischen Veröffentlichungen

Genannt hat das Ministerium die Verkürzung offenbar erstmals am 23. Juli in seiner „Empfehlung zur Entlassung von COVID-19-Fällen aus der Absonderung“. Darin heißt es, dass eine Quarantäne für kranke Personen nur noch mindestens zehn Tage ab Symptombeginn dauern muss – vorausgesetzt der oder die Betroffene zeigen keine Symptome mehr. Bei schweren Fällen und medizinischem und pflegerischem Fachpersonal ist zudem ein negativer PCR-Test notwendig.

Am 30. Juli folgte das Dokument „Behördliche Vorgehensweise bei SARS-CoV-2 Kontaktpersonen“, in dem es um die Nachverfolgung von Kontaktpersonen geht. Auch darin heißt es, es reiche, wenn Betroffene zehn Tage nach dem letzten Kontakt mit einer infizierten Person in Quarantäne bleiben. Ab Tag fünf sei die Wahrscheinlichkeit für einen Erregernachweis am höchsten, dann sei ein neuerlicher PCR-Test sinnvoll, dessen Ergebnis die Quarantänedauer aber nicht verkürze.

Auch Einreiseverordnung nennt zehn Tage

Auf Nachfrage von ORF.at, warum zwischen der Veröffentlichung der beiden Dokumente so viel Zeit verstrich, hieß es vom Gesundheitsministerium, dass grundsätzlich laufend und dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechend veröffentlicht werde. Beim Dokument vom 23. Juli zur Entlassung sei die Evidenz „eindeutig (basierend auf RKI Empfehlung)“ gewesen, „sodass ein rascher Abstimmungsprozess möglich war“. Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) ist die deutsche Bundesbehörde für Infektionskrankheiten.

Bei der Verkürzung der Quarantäne von Kontaktpersonen (30. Juli) habe man internationale Evidenz und Vorgehensweisen geprüft und mit den Landessanitätsdirektionen und lokalen Behörden abgestimmt, so das Ministerium weiter. Die kürzere Quarantäne bei der Einreise aus bestimmten Staaten gilt hingegen seit 27. Juli, sie trat mit der jüngsten Novelle der entsprechenden Verordnung in Kraft, die am späten Abend des 24. Juli bekanntwurde.

In den Bundesländern hat sich die Information über die kürzere Quarantäne laut Nachfrage von ORF.at erst mit dem – per Erlass verpflichtenden – Dokument vom 30. Juli, wenn auch nicht wirklich breit, durchgesetzt. Mitunter werde man von Publikationen des Ministeriums durchaus überrascht, hieß es. Auf der Website des Gesundheitsministeriums war noch Dienstagvormittag von einer 14 Tage dauernden Quarantäne zu lesen, nach Nachfrage durch ORF.at folgten entsprechende Updates.

Infektiologe Kollaritsch zu CoV-Entwicklungen

Herwig Kollaritsch, Mitglied des Beraterstabs von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), begründet die Wiedereinführung der Maskenpflicht in Supermärkten. Außerdem erklärt er, weshalb die aktuellen Neuinfektionszahlen nicht besorgniserregend seien.

Neue Erkenntnisse über Inkubationszeit

Dabei sind die jüngsten Erkenntnisse der Medizin, auf denen die Verkürzung der Quarantänezeit basiert, aus vielerlei Gründen interessant, wie Infektiologe Heinz Burgmann von der MedUni Wien gegenüber ORF.at erklärte. Bis jetzt sei man von einer Inkubationszeit von bis zu zwölf Tagen ausgegangen, mit ein wenig Puffer seien daraus zu Beginn der Pandemie 14 Tage Quarantäne geworden.

Ein Großteil der Infizierten zeige in der längerfristigen Betrachtung aber eben schon nach vier oder fünf Tagen Symptome, nur sehr wenige später. Das Gleiche gelte für die Infektiösität: Auch wenn Teile des Virus länger nachweisbar sind, werde nur bis zum achten Tag von kranken Personen infektiöses Virusmaterial ausgeschieden, entsprechend sei man mit zehn Tage Quarantäne „auf der sicheren Seite“.

„Was ist praktikabel?“

Damit erwische man den Großteil der Betroffenen: „Auch bei 14 Tagen Quarantäne erfassen sie keine 100 Prozent“, entgegnete Burgmann dem Einwand, dass man mit einer kürzeren Quarantäne ein höheres Risiko eingehe, etwaige Infektionen nicht zu erwischen. Es werde immer Fälle geben, die außerhalb der Norm verlaufen und etwa erst am 16. Tag Symptome zeigen – „aber ich kann das nicht als Grundlage für die Mehrheit nehmen“. PCR-Tests seien ebenfalls nicht 100-prozentig, für eine höhere Treffsicherheit müsse man invasiver testen und etwa Gewebe aus der Lunge entnehmen.

Man müsse aber immer überlegen, was zumutbar und „praktikabel“ sei, so auch Burgmann, bei einer viel infektiöseren Krankheit wie Ebola müsse man ganz anders vorgehen. Allerdings, schränkte er umgehend ein, heiße das nicht, dass man das Virus auf die leichte Schulter nehmen dürfe. „Jeder kann krank werden, und das kann überall passieren“, schließt er auch Infektionen im Freien nicht grundsätzlich aus. „Das Virus wartet nur darauf, übertragen zu werden.“

Infektion „nicht so simpel“

Allerdings bedeute nicht jeder Kontakt mit einem Infizierten gleich automatisch eine Infektion, so Burgmann, denn eine Infektion sei „nicht so simpel“, schließlich würden komplexe biologische Systeme aufeinander treffen. Die Wissenschaft sei immer noch dabei, SARS-CoV-2 besser kennenzulernen. Daher könne man nur „gebetsmühlenartig“ wiederholen, dass der beste Schutz aktuell gegen das Virus ausreichend Abstandhalten und auch das Tragen einer Maske sei – im besten Fall überlege man sich auch, wo man hingehe und wo nicht.

Kontraproduktiv sieht Burgmann Reisen, weil dabei das Virus zusätzlich in Zirkulation gerate – und das gelte auch für die bereisten Orte, falls die Gäste sich am Urlaubsort nicht ausreichend an Hygienemaßnahmen halten und womöglich so mitgebrachte Infektionen verbreiten. Da ist dann auch die kürzere Quarantänezeit für die Betroffenen wohl nur bedingt ein Trost.